Ottmar (57)
Sozialarbeiter bei der Caritas in Osnabrück
Ottmar ist bei der Caritas ganz in seinem Element, denn mit seinem Arbeitgeber verbindet ihn nicht nur ein Vertrag, sondern auch sein christliches Weltbild. Seine private Verbundenheit mit Osteuropa und seinen Glauben hat er als Sozialarbeiter in seinem Job vereint: Als Leiter der Russlandhilfe setzt sich Ottmar dafür ein, kirchlich-karitative Hilfen im ehemals sozialistischen Land wieder aufzubauen.
Eine Affinität zu Russland und Osteuropa liegt bei Ottmar schon in der Familie. Die Mutter floh 1945 aus Schlesien, der Vater aus dem Sudetenland und ein Onkel des Vaters befand sich einige Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft. Doch selbst dieser vermittelte in zahlreichen Gesprächen keinesfalls ein schlechtes Bild der Menschen vor Ort. Als Sozialarbeiter bei der Caritas hatte Ottmar zwar zunächst mit Flüchtlingen zu tun, kam jedoch schnell in Kontakt mit Russlanddeutschen, die aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion (der ehemaligen UDSSR) seit Ende der 80er Jahre in großer Zahl nach Deutschland aussiedelten.
Beim Diözesanverband wusste man damals, dass Ottmar mit einer ehrenamtlichen Gruppe Hilfstransporte nach Russland organisierte. So wurde er bei der Errichtung der Osteuropastelle des Bistums Osnabrück gefragt, ob er das Bistum in Osteuropa und besonders in Russland vertreten wolle. Für Ottmar zeigte sich sehr schnell, wie wichtig persönliche Kontakte und Begegnungen waren, um den Wiederaufbau von Kirche und Caritas begleiten und unterstützen zu können. Schließlich wurde unter Stalin das kirchliche Leben zerstört und erst mit dem Zerfall der UdSSR unter Gorbatschow wieder ermöglicht. Die Katholische Kirche in Russland ist eine kleine Minderheit, die Einheit von Kirche und Caritas vorbildlich. Diese mitzugestalten, das ist Ottmars Mission – bis heute.
Das christliche Weltbild und das Praktizieren des eigenen Glaubens begleiteten Ottmar von Anfang an – in seinem Arbeitsumfeld eher Voraussetzung als günstiger Zufall: „Meine Arbeit hat sehr viel mit Spiritualität, Hoffnung und Zuversicht zu tun. Wir haben in Russland fast ausschließlich kirchliche Partner.“ Im Gespräch wird deutlich, dass seine Arbeit für ihn mehr eine Berufung als ein Beruf ist, die weit über einen Vollzeitjob hinausgeht. „Wir wollen in unserer täglichen Arbeit ausstrahlen, dass sich unsere Freunde und Partner in Russland auf uns verlassen können und dass wir an ihrer Seite stehen“, sagt Ottmar – und man merkt, dass diese Aussage von Herzen kommt. Dass die Caritas ihm in seiner Arbeit viele Freiheiten gewährt, ist da ein großer und wertschätzender Vertrauensbeweis.
„Der Caritas habe ich zu verdanken, dass ich Berufung und Beruf miteinander verbinden konnte.“
Bewegt erzählt Ottmar von seinen ersten Besuchen in Russland, von den herausfordernden Lebenssituationen, dem großartigen Beistand und der unglaublichen Lebensfreude und Gastfreundschaft, die ihm überall entgegengebracht wurden.
Dass es nach der Zeit des Stalinismus überhaupt noch Katholiken in Russland gibt, ist der Bewahrung des Glaubens im Untergrund zu verdanken. Trotz der großen Gefahren fanden sie sich drei Generationen lang heimlich zu Gebeten zusammen bis schließlich in den 80er Jahren, zu Zeiten von Glasnost und Perestroika, katholische Christen sich wieder frei und öffentlich zu kleinen Gemeinschaften und später zu Gemeinden zusammenfinden konnten; nicht immer war es leicht, katholische Christen überhaupt ausfindig zu machen.
Viele Jahre lang ist zum Beispiel der heutige Bischof des Wolgabistums St. Clemens, Clemens Pickel, als einziger Priester in Südrussland durch sein späteres Bistum gereist und hat in Dörfern „hinter der fünften Milchkanne rechts“ insbesondere deutsch- oder polnischstämmige Menschen gesucht und schließlich in mühevoller Arbeit kleine Gemeinden aufgebaut. Bei seinem ersten Besuch an der Wolga hat Ottmar 1998 an einer Heiligen Messe in einem kleinen Dorf teilgenommen, in dem sich auch zahlreiche russlanddeutsche Bürgerkriegsflüchtlinge aus Tadschikistan befanden. Ein prallgefülltes, kleines Wohnzimmer, viele weitere Menschen in der Küche und auf den Fluren. „In diesem Moment habe ich Weltkirche erlebt“, sagt Ottmar und ist noch heute sichtlich ergriffen von der Überwindung jeglicher Grenzen durch den Glauben.
„Eine Kuh für Marx“ heißt die Russlandhilfe der Caritas Osnabrück. Projekte wie Mutter-Kind-Häuser, Kinderzentren, Obdachlosenhilfe, häusliche Krankenpflege, Priester- und Schwesternhilfe und Notfallhilfe werden unterstützt. Das bekannteste Projekt ist allerdings das Kuhprojekt, dem die Russlandhilfe ihren ungewöhnlichen Namen verdankt. Die Idee: Priester, Ordensleute oder Mitarbeiter der Caritas vor Ort wählen eine bedürftige Familie aus. Von Spendengeldern finanziert, erhält die Familie eine Kuh und etwas Geld für Futter, eine Stallreparatur oder die Anschaffung eines gebrauchten Kühlschrankes. Die neuen Kuhbesitzer verpflichten sich, das erste neugeborene Kalb an eine andere bedürftige Familie abzugeben. Der Spender in Deutschland erhält neben der Spendenbescheinigung auch einen kleinen Bericht über die Familie. Bislang wurden schon über 700 Kühe an notleidende Familien in Russland verschenkt.
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